Ausstellung „Work Life Challenge" offiziell eröffnet

Prof. Heinz Lohmann (Mitte) stellte die Arbeiten des Künstlers Tobias Zaft (r.) vor, Bürgermeister Beckmann freute sich über die Gäste
Prof. Heinz Lohmann (Mitte) stellte die Arbeiten des Künstlers Tobias Zaft (r.) vor, Bürgermeister Beckmann freute sich über die Gäste

20.7.2024 | Schon seit einigen Tagen sorgen die drei grünen Skulpturen auf dem Rathausmarkt für Aufmerksamkeit, am Freitag (19.7.) wurde die Ausstellung „Work Life Challengr" offiziell eröffnet. Bürgermeister Thomas Beckmann konnte zu der kleinen Zeremonie nicht nur einige Quickborner Kunstfreunde, sondern vor allem auch als Laudator den Hamburger Unternehmer, Kunstsammler und Kunstförderer Professor Heinz Lohmann begrüßen.

 

„Aus meinem Büro habe ich beste Sicht auf die Krötenwanderer. Immer wieder beobachte ich, wie die Menschen sich dem Kunstwerk vorsichtig nähern, erst ins Grübeln und dann ins Gespräch kommen. Und genau das macht Kunst für mich aus," so Beckmann

 

Die Rolle der Kunst im öffentlichen Raum griff auch Prof. Lohmann in seiner Einführung auf:

„Was haben überdimensionierte Kröten auf dem Rathausplatz in Quickborn verloren?“ Wer sich mit dieser Frage befasst, ist bereits dem Zauber der Skulpturengruppe „Toad Walker“ von Tobias Zaft erlegen. Das ist bei Kunst im öffentlichen Raum keinesfalls selbstverständlich. Im Gegensatz zu Besucherinnen und Besuchern in Museen oder Kunstvereinen, die gezielt in Ausstellungen gehen, ist das bei denen, die hierher kommen, mit Ausnahme von heute natürlich, völlig anders. Sie sind nicht darauf eingestellt, auf Kunst zu stoßen. Zudem wird die Kunst hier nicht in einem „White Cube“, sozusagen steril, präsentiert, sondern mit ihr konkurrieren alle möglichen Elemente, die zu sehr diffusen Wahrnehmungen führen. Anders ausgedrückt, die Kunst muss schon ganz schön „auf die Pauke hauen“, um überhaupt als solche erkannt zu werden.


Wie jede gute Kunst, muss Kunst im öffentlichen Raum, da sie Menschen zum Nachdenken bewegen will, erst einmal irritieren! Ja, sie darf ruhig aufregen, vielleicht sogar verärgern, auf jeden Fall darf sie nicht gefällig sein, nicht langweilen. Deshalb darf, vielleicht sogar muss, Kunst im öffentlichen Raum spektakulär sein. Zumindest schadet das auf keinen Fall. Es geht darum Aufsehen zu erregen, Interesse zu wecken. Wer stehen bleibt, zeigt Anfangsinteresse und ist schon auf dem Weg von der Irritation zur Auseinandersetzung. Ich weiß, wovon ich rede. In meiner Studentenzeit – zugegeben, das ist lange her – habe ich Straßenkabarett gemacht. Das war eine harte Schule, da es auch damals galt, das Interesse zu erlangen und dann zu halten. 

Wie gelingt das Tobias Zaft? Indem er zum einen mit der Doppeldeutigkeit von Begrifflichkeiten arbeitet. Wir alle kennen für Geld eine ganze Reihe von Synonymen, als da sind: Kohle, Mäuse, Moos, Zaster, Piepen und natürlich Kröten. Die gewaltigen Kröten hier schleppen „Kröten“ in verschiedenen Ausprägungen weg: Papiergeld, Gold, Bitcoins, Münzen. Sie tun es gierig - so gierig, dass sie es gar nicht alles transportieren können, sondern bereits Geld und Gold verlieren. Natürlich löst das bei jedem von uns sofort Assoziationen aus, die direkte Verbindungen zur Finanzwirtschaft herstellen. Zum anderen erscheinen uns die Riesenkröten gleichzeitig als seltsam fremdartig. Und richtig, Tobias Zaft hat sie aus China mitgebracht.


Der 1981 in Hamburg geborene Künstler hat nach seinem Diplomabschluss des Kunststudiums 2007 an der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart zunächst als Stipendiat des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes und dann mit einem chinesischen Stipendium an der Central Academy of Fine Arts in Peking seine Studien fortgesetzt. Heute pendelt er zwischen Europa und China. Nachdem in den letzten 30 Jahren die chinesischen Gegenwartskünstlerinnen und -künstler in der europäischen Kunstszene äußerst präsent und inzwischen bei allen wichtigen Ausstellungen vertreten sind, so insbesondere auch auf der NordArt hier in Schleswig-Holstein, gehört Tobias Zaft zu den wenigen Akteuren, die in beiden Kulturkreisen verankert sind. Aus diesen teilweise extremen Gegensätzen entsteht eine neue, integrative Ästhetik.


In der chinesischen Mythologie spielt die dreibeinige Kröte „Chan Chu“ eine gewichtige Rolle und ist als Glücksbringer im Alltagsleben Chinas nach wie vor präsent. Die Kröte sitzt häufig auf einem Stapel aus traditionellem chinesischem Bargeld und einer Goldmünze im Maul. Das Verhältnis zum Geld ist in der chinesischen Gesellschaft viel unverkrampfter, direkter als hier bei uns in Europa. Selbst etablierte Manager streichen der Chan Chu-Figur in ihren Büros morgens als erstes über den Kopf, um ihre Geschäfte mit einem Geldsegen zu krönen.


Dieser interkulturelle Hintergrund von Tobias Zaft offenbart eine Ambivalenz in vielen seiner Werke, die weit über die ersten, schnellen Eindrücke hinausgehen. Der Künstler gewährt uns hier mit seiner Skulpturengruppe Zugriffe auf die Rolle des Geldes im aktuellen Wirtschaftsgeschehen und ermöglicht uns damit eine Reflexion unserer gesellschaftlichen Situation. Ohne Geld wären moderne Wirtschaftssysteme undenkbar. Wir sind auf die Tauschfunktion des Geldes zwingend angewiesen. Zudem ist es ein absolut notwendiger Wertmesser und, ganz wichtig, ein Wertaufbewahrungsmittel. Diese letzte Funktion ermöglicht es Menschen, selbst Vorsorge zu treffen, um nicht auf den Staat und die Transferleistungen angewiesen zu sein. Das ist für die Selbstbestimmung von Menschen von essenzieller Bedeutung. Deswegen haben ja auch, zu Recht, viele Menschen Angst davor, wenn durch eine expansive Geldpolitik die Entwertung der Geldfunktionen begünstigt wird.
 Aber richtig ist auch, Geld darf nicht verabsolutiert werden. Geld ist ein Instrument und dient zur Befriedigung von realen Bedürfnissen. Dieser Zusammenhang wird häufig ignoriert, genauso wie der zwischen Produktion und Konsumtion. Damit entfremden sich die Menschen von den Grundlagen ihrer eigenen Existenz. Die Werte verschieben sich gewaltig. Wenn die Finanzwirtschaft als eigenständiger Wirtschaftsbereich wahrgenommen wird und die Realwirtschaft verdrängt, wird es gefährlich. Gleiches gilt für die Vorstellung, der ungehemmte Einsatz von Geld, könne alle Probleme lösen.

 

Diese Perversion ist zentraler Gegenstand der Arbeit von Tobias Zaft.
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Generell gilt, dass in einer ethisch basierten Wirtschaft das Geld dem Menschen zu dienen hat und nicht umgekehrt. Auch in der Kunst ist es nicht so, dass Künstler deren Werke im Kunsthandel die höchsten Preise erzielen, die beste Kunst machen. Der Wert einer künstlerischen Arbeit liegt für mich in dem Potential, Menschen zu neuen Erkenntnissen zu verhelfen. Kunst kann keine Politik ersetzen. Sie kann aber Chancen eröffnen, überkommene Positionen in Frage zu stellen. Ja, sie kann dazu anregen, mal Undenkbares zu denken. Die Kunst von Tobias Zaft hier auf dem Rathausplatz in Quickborn kann das. Nutzen wir also die Zeit der Anwesenheit der Krötenwanderer für den öffentlichen Diskurs."

Die Ausstellung bleibt noch bis zum 25. August in der Eulenstadt, bevor sie dann nach Lippstadt und später auch nach Wien weiterzieht.

 

Interessante Herstellungsweise

Die patinierten Bronze-Skulpturen sind auf eine zeitgemäße Weise entanden: Zaft hat die Entwürfe am Computer gefertigt, die mit Hilfe eines 3-D-Druckers zunächst als kleinformatige Modelle ausgedruckt wurden. Aber auch die Original-Skulpturen kommern aus einem 3-D-Driucker, ohne dass die Hände des Künstlers - wie bei Skulpturen üblich - aktiv wurden. Die Kröten wurden in Zusammenarbeit mit einer Gießerei in China gefertigt und anschließend nach Deutschland verschifft.

 

In Schleswig-Holstein zuhause

Tobias Zaft ist Sohn von Edwin Zaft, der in Quickborn als aktiver Leiter des Kunstvereins bekannti. Zaft jr. unterhält - neben einem Atelier in China - im eigenen Haus ein Atelier an der Westküste Schleswig-Holsteins. Gemeinsam mit seiner Frau wohnt er bei Aufenthalten in Deutschland in Pinneberg. Seine Frau sorgt bei der Kunstwerk Carlshütte dafür, dass bei der Nord Art regelmäßig chinesische Künstler vertreten sind.

 

Familienfoto: Tobias Zaft Frau Juan und Vater Edwin
Familienfoto: Tobias Zaft Frau Juan und Vater Edwin
Einige Kunstfreunde hatten sich zur Austellungseröffnung eingefunden
Einige Kunstfreunde hatten sich zur Austellungseröffnung eingefunden

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