13.11.2022 | Zu einer Gedenkstunde kamen am Volkstrauertag rund 50 Gäste im evangelischen Gemeindehaus zusammen, anschließend legten Delegationen der Stadt und verschiedener
Organisationen Kränze an den drei Denkmalen in der Stadt nieder. Bürgermeister Thomas Beckmann, Bürgervorsteher Henning Meyn und zwei Schülerinnen des Elsensee-Gymnasiums mahnten in ihren
Ansprachen, nicht nur der Toten der beiden Weltkriege zu gedenken, sondern auch die Würde des Menschen in der heutigen Zeit im Blick zu haben.
Bei der Feierstunde wurden u.a. Annabell Krämer, FDP-Vizepräsidentin des Landtages, die Stellvertretende Kreispäsidentin Elke Schneider (SPD), die Stellvertretenden Bürgermeister Astrid Huemcke (SPD) und Bernd Weiher (CDU), Robert Hüneburg (CDU), Christian Bergmann (SPD), Heike Schröder, die Vorsitzende des Sozialverbandes Quickborn-Ellerau (SoVD) sowie die Pastoren Claudia Weisbarth und Florian Niemöller gesichtet.
In seiner Ansprache erinnerte der neue Bürgermeister Thomas Beckmann daran, dass irgendwo auf der Welt alle zwei Minuten ein Mensch durch Gewalt und Krieg stirbt. Seit dem 24. Februar sei Gewalt und Krieg sehr nahe an uns herangerückt. Er wünsche sich, dass dieser Gedenktag auch im öffentlichen Bewusstsein eine größere Bedeutung erlange. Er freue sich, dass auch zahlreiche junge Leute an der Feierstunde teilnehmen und Schülerinnen des Elsensee-Gymnasiums sie mitgestalten.
„Nach Artikel 1 des Grundgesetzes ist die Würde des Menschen unantastbar. Somit ist es die Pflicht eines jeden, die Menschenwürde zu achten und sie als Grundlage der Gemeinschaft zu leben. Doch wird die Menschenwürde des einzelnen in Zeiten von Krieg und Angst überhaupt noch geachtet? Die heutige Situation rückt den Volkstrauertag in den Hintergrund, sondern fordert zu Wachsamkeit auf, die Grundrechte zu schützen. Deswegen sind die Zusammenarbeit in einer offenen Gesellschaft, das Leben in einer Demokratie und menschliches Mitgefühl für uns in dieser Zeit notwendig. Prägend dafür sind Veranstaltungen wie diese, die aktiv die gemeinsame Erinnerung am Leben halten, denn nur, wenn man sich der Geschichte unseres Landes und der Welt bewusst ist, bleibt man wachsam. Nur, wenn man seine Privilegien kennt, entwickelt man den Willen, die Grundrechte anderer zu schützen. Und nur, wenn man sich immer wieder die Schrecken vergangener Krieges vor Augen führt, ist man in der Lage, heutige Konflikte mit angemessenem Mitgefühl zu betrachten.
Dieses Mitgefühl gilt heute nicht mehr nur den Soldaten des Ersten und Zweiten Weltkrieges als auch ihren Angehörigen, die ihre Liebsten verloren haben. Wir sehen es als unsere Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass diese Erinnerungen nicht verblassen. Gerade, weil wir die letzte Generation sind, die den Überlebenden dieser grausamen Zeit zuhören können und dürfen, müssen wir ihr Wort weitertragen. Trotzdem git es nach 70 Jahren wieder einen Angriffskrieg in Europa, in dem wieder Zivilisten und Soldaten sterben, Familien trauern und Menschen ihre Heimat verlieren.
Diese Verluste hinterlassen eine Leere im Miteinander, die mit Nichts zu füllen ist und die niemals mehr gefüllt werden kann. Nur das gemeinsame Erinnern kann den Menschen Trost bringen. Genau deswegen sind wir hier.
Zusammen ist es unser aller Aufgabe, für eine wachsame, offene und menschliche Gesellschaft einzustehen, in der die Menschenwürde des einzelnen geachtet wird und wir gemeinsam in einer friedlichen Welt leben, in der niemand vergessen wird. Und so schließen wir auch in diesemJahr mit den Worten Brechts: 'Der Mensch ist erst wirklich tot, wenn niemand mehr an ihn denkt!' "
Bürgervorsteher Henning Meyn hielt am Denkmal in Renzel eine Rede, die wir nachfolgend im Wortlaut wiedergeben.
„Im Namen der Stadt Quickborn begrüße ich Sie zu unserer heutigen Gedenkzeremonie zum Volkstrauertag. Hier an der Straßenecke in Renzel bei den Denkmalen für die hiesigen Kriegsopfer der beiden Weltkriege haben wir uns versammelt, genau wie in den Jahren zuvor. Und natürlich wollen wir auch in diesem Moment an die in den beiden Weltkrigen gefallenen Renzeler erinnern. Aber heute, im Jahre 2022, während in Europa ein blutiger Krieg herrscht, sind unsere Gedanken besonders bei den bedrohten, angegriffenen Menschen in der Ukraine.
Russland und die Ukraine, zwei Länder mit einer jahrzehntelangen gemeinsamen Geschichte, zwei auch wirtschhaftlich vielversprechende Kulturnationen liegen in einem hässlichen, grausamen Krieg. Wer hätte sich so etwas hier in Europa vorstellen können?
Die „militärische Sonderoperation, der russische Angriff im Frühjahr 2022, wurder der russischen Bevölkerung in der offiziellen Propaganda als Maßnahme gegen das sog. Nazi-Regime in Kiew „verkauft".
Ich musste daran denken, dass in Malchow, unserer Partnerstadt in Mecklenburg-Vorpommern, ein russisches Denkmal steht. Es trägt in kyrillischen Buchstaben die Inschrift „ewiger Ruhm den Helden der Sowjetarmee". Das bezieht sich auf den blutigen, aber 1945 siegreichen Kampf gegen Nazideutschland im „Großen Vaterländischen Krieg". Dieser Krieg spielt auch heute noch die wichtigste verbindende Rolle in der russischen Erinnerungskultur. Deshalb empfinde ich es als zynisch und bitter, dass die russische Staatspropaganda bei dem Überfall auf die Ukraine ungeniert diese historische Parallele zieht.
Terror gegen die ukrainische Zivilbevölkerung und Einsatz der eigenen Soldaten ohne Rücksicht auf Verluste, so nehmen wir die russische Strategie wahr. Ob es stimmt? Genau wissen wir es nicht, denn in Kriegen ist die Wahrheit immer das erste Opfer. Wir wissen aber: Kriege sind immer Ausdruck des Versagen und des Scheiterns an der Aufgabe, sich friedlich zu verständigen.
Dieser Krieg auf dem Gebiet der Ukraine hat unmittelbare Auswirkungen auch auf uns. Ich meine nicht, dass unsere Heizkosten steigen, sondern bedrückend für mich ist, dass wir plötzlich wieder über Aufrüstung und Waffenlieferungen in Kriegsgebiete reden müssen. Und natürlich geht es auch um die vor dem Krieg Geflohenen, die hier bei uns angekommen sind. Lassen Sie uns gemeinsam dazu beitragen, dass sie hier Frieden und Sicherheit finden.
Auch hier in Renzel sollen die Kriegsopfer des Ersten und des Zweiten Weltkriegs auch nach so langer Zeit nicht vergessen werden. Überall hier im Dorf hatte man Gefallene. Vermisste und Traumatisierte zu beklagen. Zu ihrem Gedenken legen wir heute Kränze nieder.
Gleichzeitig gedenken wir aber auch der Opfer von Kriegen und Terror, die seitdem in vielen Ländern der Welt die Menschen in Angst und Schrecken versetzen. Wir beklagen die traumatisierten, vertriebenen oder getöteten Opfer, egal, welcher Nation und welcher Religion sie angehören.
Lassen Sie uns immer, nicht nur am Volkstrauertag, dafür eintreten, dass der Schrecken von Krieg und Verfolgung in unserem Bewusstsein und dem unserer Kinder und Enkel verankert bleiben und dass die Opfer nicht vergessen werdern, so wie Sie und ich es heute hier tun, am Denkmal an der Friedenstraße in Renzel.
Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Anteilnahme."
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