GUDELIUS: Augenblick mal!
Hier schreibt der Quickborner Autor Peter Gudelius einmal in der Woche zu Themen der Stadt, des Landes und der Welt. Was sich kritisch liest, mal mehr, mal weniger zugespitzt, will als Anregung verstanden sein und zum Nachdenken verführen. Die Äußerungen des Autors stellen nicht die Meinung des Herausgebers/der Redaktion dar.
Weitere Beiträge des Autors finden Sie in seinem Blog „Sprach-los".
Nein, für sogenannte Bildungsferne wird DIE ZEIT ganz gewiss nicht geschrieben. Aber muss man das Kleine, besser das Große Latinum haben, um die Autoren zu verstehen? Es sieht so aus.
Das ärgert mich. Natürlich, weil ich weder das Kleine noch das Große Latinum habe. Und weil ich das Gefühl habe, dass die Autoren mir das unter die Nase reiben wollen. Das liest sich dann
beispielsweise so: „In nuce besitzt der Prozess etwas Exemplarisches.“ „in nuce“? Ach so: zusammengefasst. Für mich ist das Angeberei, dazu noch schlechter Stil.
Kann ein Prozess etwas besitzen? Wohl kaum. Es ginge doch auch anders, verständlich sogar für bildungsferne Menschen. Vielleicht so: „Zusammengefasst: Der Prozess hat etwas Beispielhaftes.“
Immerhin, ich habe etwas gelernt. Danke! Und ich habe noch mehr gelernt. Ich weiß jetzt zum Beispiel, dass das Wort Kontingent, je nachdem, ob man es groß oder klein schreibt, etwas ganz
Unterschiedliches bedeutet.
Kontingent, als Substantiv groß geschrieben, meint die Zuteilung einer Menge von irgend-etwas. Ich kenne das noch aus der Kriegs- und Nachkriegszeit. Da wurde vieles
kontingentiert, zugeteilt in meist unzureichenden Mengen. Ein ZEIT-Autor schrieb kontingent aber klein und meinte damit etwas anderes: zufällig, beliebig, nicht notwendig. Muss das sein?
Eigentlich nicht. Vielleicht sollte die Chefredaktion etwas so Abgehobenes wie in nuce und kontingent kontingen-tieren. Ein Verbot wäre sicherlich übertrieben.
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