Wozu gibt man ein 20.000-Euro-Gutachten in Auftrag, wenn man aus den Ergebnissen keine Schlüsse zieht? Diese Frage stellt sich nach der jüngsten Sitzung des Ausschusses für
Stadtentwicklung und Umwelt (ASU).
Zentrales Thema der Ausschuss-Sitzung war das Gutachten zur „Bevölkerungs- und Gemeinbedarfsentwicklung der Stadt Quickborn bis zum Jahre 2030", das den Ortspolitikern bereits im Juni 2016 vorgestellt worden war und nach Angaben der Stadtplanung 20.000 Euro gekostet hat. Es unterscheidet zwischen zwei Szenarien: Im Intro-Szenario weist die Stadt keine neuen Baugebiete aus. Aufgrund der Verdichtung in bestehenden Baugebieten geht der Gutachter Peter Kramer von 2015 bis 2030 dann von einer Zunahme um 980 Wohneinheiten (WE) aus, beim Extro-Szenario würden nach seiner Prognose aufgrund der Ausweisung neuer B-Pläne 1.830 neue Wohneinheiten entstehen.
In der Sitzung stellte Stadtplaner Felix Thermann die Grundzüge des Gutachtens noch einmal vor. Er verwies darauf, dass im Juni auch die Landesplanung neue Zahlen vorgelegt habe, die sich eher mit den Kramer-Zahlen deckten als frühere Prognosen.
Fachbereichsleiter Ralf Gercken erläuterte, dass die Stadt eine Entwicklung nach dem Intro-Szenario in punkto Kita-Plätze und Schulen verkraften könnte, dass ein Wachstum gemäss Extro-Szenario aber erhebliche Probleme bei der Infrastruktur und damit bedeutende finanzielle Belastungen für die Stadt bedeuten würde. Deshalb waren der Ausschuss für Kinder, Jugend und Soziales und der Ausschuss für Bildung, Kultur und Freizeit in ihren Oktober-Sitzungen weitgehend den Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung gefolgt und hatten der Ratsversammlung empfohlen, sich unter Berücksichtigung der zu erwartenden Auswirkungen auf die Gemeinbedarfsentwicklung am Intro-Szenario zu orientieren und hierbei den B-Plan 104 B einzubeziehen. Außerdem solle ein jährliches Monitoring vorgenommen werden, um die Auswirkungen auf die Gemeinbedarfseinrichtungen laufend zu bewerben.
So lautete denn auch die Beschlussvorschlag der Verwaltung für den ASU, dass sich die Stadt Quickborn in ihrer zukünftigen Stadtentwicklung am „Intro-Szenario" unter Einbeziehung des B-Plans 104 B orientieren werde. Demzufolge werde von der Neuausweisung weiterer Wohnbaulandflächen derzeit im Grundsatz Abstand genommen. Die Nachfrage nach baulicher Entwicklung solle bis zum Jahr 2020 vordringlich durch die Nutzung bestehender Nachverdichtungspotentiale und Maßnahmen der städtebaulichen Innenentwicklung gedeckt werden. Es solle vermieden werden, dass durch eine zu expansive Wohnbauentwicklung im Hinblick auf die Gemeinbedarfseinrichtungen (Kindertagesstätten und Schulen) zusätzliche Investitions- und Folgekosten in erheblichem Umfang entstünden.
Doch dieser Argumentation mochte sich vor allem die SPD nicht anschließen. Astrid Huemke (als Gast anwesende Ratsfrau) und Wolfgang Tröger monierten, dass das Intro-Szenario keinen sozialen Wohnungsbau zulasse (was Quickborns Stadtplanerin Friederike Lattmann bestritt). Nach Auffassung Trögers verhalte man sich als Reaktion auf das Gutachten ohne Not wie aufgescheuchte Hühner. Jürgen Asmussen wünschte eine Diskussion, welche Chancen man liegen lassen würde, wenn man der Beschlussvorlage zustimme. Auch die Wirkung in der Außendarstellung der Stadt werde nicht berücksichtigt. Der fraktionslose Ratsherr Ulf Hermanns-von-der-Heide, der als Gast an der Sitzung teilnahm, vermisste eine Berechnung, welche Erträge sich durch ein Wachstum bei den Einwohnerzahlen ergeben würden. Er wies auch auf die geplanten neuen Gewerbegebiete hin. „Wenn wir hier neue Betriebe ansiedeln, wäre es sinnvoll, wenn sie ihre Mitarbeiter in der Stadt fänden. Aber wenn dafür kein zusätzlicher Wohnraum da ist ..." Huemke vermutete, dass Gutachten werde nur benutzt, um die Entwicklung der Stadt zu bremsen, zum Nachteil von jungen Familien und Senioren. Ihre Fraktion könne den Beschluss nicht mittragen.
Als Bernd Kleinhapel (CDU) Sympathien für die SPD-Haltung erkennen ließ und auch nach ergänzenden Erläuterungen von Gehrcken und Lattmann bei den beiden großen Parteien kein Stimmungsumschwung bei den beiden großen Parteien zu erkennen war, beantragte Friederike Rübhausen (FDP) eine Vertagung, um die neue Situation mit ihrer Fraktion zu besprechen. Der Antrag wurde mit den Stimmen von CDU und SPD abgelehnt (B90/Grüne waren nicht anwesend).
Nach einer Sitzungsunterbrechung brachten CDU und SPD einen neuen gemeinsamen Antrag ein, der mit den Stimmen der beiden Parteien bei Enthaltung der FDP angenommen wurde. Er lautet:
„Die SPD und die CDU stimmen der Beschlussvorlage mit den dort genannten Maßgaben zur Beachtung des Intro-Szenarios NICHT zu. Sie befürworten allerdings ein jährliches Monitoring, um die Auswirkungen von zwischenzeitlich getroffenen Entscheidungen zu verifizieren gemäß Beschluss des AKJS vom 11.10.2016.
Antrag von CDU und SPD: Auch zukünftig ist in Kenntnis der Bevölkerungs- und Gemeinbedarfsentwicklung in Quickborn bis 2030 eine maßvolle Ausweitung von Wohnbauflächen zu betreiben. Grundsätzlich ist der bestehende Flächennutzungsplan für eine zukunftsgerechte Gestaltung der Stadtentwicklung fortzuentwickeln. Begründung: Der Verzicht auf die Ausweisung neuer Wohnbauflächen ist ein negatives Signal für eine kontinuierliche und positive Entwicklung des urbanen Raumes. Der Verzicht schränkt über einen längeren und unbestimmten Zeitraum den Gestaltungsspielraum für die Stadtentwicklung ein. Mit einem derartigen Beschluss wird das Image der Stadt Quickborn nachhaltig beschädigt, der Verzicht mindert nicht die heute schon bestehenden und zukünftigen Problem der Infrastruktur der Stadt Quickborn. Für eine gewünschte bzw. erforderliche Regulierung steht ein ausreichendes Instrumentarium zur Verfügung."
Stadtplanerin Lattmann wies darauf hin, dass damit konkurrierende Beschlüsse der einzelnen Ausschüsse bestehen und in der Ratsversammlung am 31. Oktober ein verbindlicher Beschluss gefasst werden muss.
Ralf Gercken, der die Quickborner Stadtverwaltung verlässt, verabschiedete sich zum Ende dieses Tagesordnungspunktes von diesem Ausschuss. Ausschussmitglieder dankten ihm für die kooperative Zusammenarbeit in den vergangenen Jahren. Ob er die weitere Diskussion über das Gutachten zur Bevölkerungsentwicklung vermissen wird, darf man bezweifeln.
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