Eine intensive Diskussion ergab sich nach der Vorstellung eines Gutachtens zur Entwicklung Quickborn bis zum Jahre 2030 im Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt.
Der Ausschuss für Stadtentwicklung und Umwelt hatte extra eine Sondersitzung anberaumt, um dem Gutachter Peter H. Kramer Gelegenheit zu geben, die Ergebnisse seiner
Untersuchung „Bevölkerungs- und Gemeinbedarfsentwicklung der Stadt Quickborn bis zum Jahre 2013" ausführlich vorzustellen. Und es war der Wunsch der Politik, dass dieser Präsentation auch
möglichst viele Bürger und Bügerinnen folgen sollten. Und so hob der Ausschuss-Vorsitzende Wolfgang Kluge mit Zustimmung der Ausschuss-Mitglieder zu Beginn auch die Einschränkungen für die
Bürgerbeteiligung an den Diskussionen auf. Doch nur wenige Zuschauer hatten sich zur Sitzung eingefunden: Zieht man von den 20 Gästen die Ortspolitiker und Mitarbeiterinnen der Stadtverwaltung
ab, waren es noch rund 15 BürgerInnen. Sicherlich auch Ergebnis einer völlig unzureichenden Informationsarbeit der Stadt.
Kramer stellte zu Beginn seiner Ausführungen klar, dass er lediglich Handlungsoptionen aufzeigen wolle. Quickborn habe die Grenzen des Wachstums erreicht undie Politik stehe vor besonderen Herausforderungen. Er erinnerte daran, dass eine Zukunftswerkstatt des Kreises Pinneberg vor 10 Jahren einen nicht zu stoppenden Trend zur Schrumpfung der Gesellschaft ausgemacht hätte. Es sei anders gekommen: Allein Quickborn verzeichnete in den Jahren 2012 bis 2014 einen Wanderungssaldo von 850 Neubürgern.
Als Grund für die Fehleinschätzung nannte Kramer, dass es sich damals um "Prognosen" gehandelt habe, also lineare Fortschreibungen der Entwicklungen der letzten Jahre. Aber demografische Veränderungen verliefen nicht linear. So seien die Spätfolgen der "Baby-Boomer"-Generation, nämlich der zeitversetzte erneute Anstieg der Geburten, nicht berücksichtigt. Außerdem sei die Rückwanderung junger Familien in das Umland nicht beachtet worden und letztlich habe die Zinssituation ihren Einfluss gehabt. Er hingegen habe für seine Berechnungen eines der „komplexesten Simulationsmodelle Europas" mit Milliarden von Rechenoperationen eingesetzt. Heftig beklagte der Gutachter die "Datenversorgung" in Schleswig-Holstein und die Arbeit des Statistischen Landesamtes, die im Vergleich zu anderen Bundesländern eine der schlechtesten sei.
Zwei Szenarien
In seinem Gutachten stellt Kramer zwei Szenarien dar. Bei dem „Intro-Szenario" geht der Gutachter davon aus, dass die Stadt über die bereits verabschiedeten B-Pläne
94, 104 A und 106 hinaus keine weiteren Baugebiete ausweist. Trotzdem wird Quickborn danach um 980 Wohnungen wachsen, davon 600 in Mehrfamilienhäusern. Beim „Extro-Szenario" würde die Stadt
weitere Baugebiete ausweisen, dabei allerdings die im Flächennutzungsplan ausgewiesenen Flächen noch lange nicht ausschöpfen. Kramer geht in diesem Szenario von einem Zuwachs von 1.830 Wohnungen
aus, davon 1.090 in Mehrfamilienhäusern. Kramer stellte ausführlich die vorausichtlichen Entwicklungen auch in den einzelnen Altersschichten vor. Danach würden selbst bei der Intro-Variante die
Kita-Plätze und die Schulen in den nächsten Jahren nicht ausreichen. So sei man auf die Angebote privater Schulen angewiesen.
Eine knapp 30 Seiten lange Zusammenfassung des über 400 Seiten umfassenden Gutachtens findet sich hier.
Ein besondere Schwierigkeit sieht Kramer auch in der mangelnden Abstimmung mit den umliegenden Kommunen. Generell kritisierte er das Versagen der Landesplanung in
Schleswig-Holstein. Beispielsweise würde die Entwicklung in Niedersachsen, auch in den an Hamburg angrenzenden Kreisen, deutlich besser gemanagt.
Als Resümee gab er Politikern und Verwaltung mit auf den Weg: Die Grenzen des Wachstums akzeptieren oder die Grenzen des Wachstums stetig anheben.
Lebhafte Diskussion
In der anschließenden Diskussion äußerte der Quickborner Bauunternehmer Joachim Schaffarzyk sein Bedauern, dass sich Kramer vor Erstellung des Gutachtens nicht mit Quickborner Unternehmen ausgetauscht und deren Erfahrungen berücksichtigt habe. Aufgrund von Zahlen aus dem eigenen Unternehmen über Zuzüge etc. bezweifelte er die Ergebnisse des Gutachters. Außerdem kritisierte er, dass Bürgermeister Köppl noch vor wenigen Jahren eine Wachstumsstrategie propagiert habe und diese jetzt in Frage gestellt werde. „Wir brauchen Wachstum, damit die Geschäfte in Quickborn leben können und wir auch eine breiteres Angebot bekommen!"
Dieser Aussage stimmte auch Thomas Blaume, selbständiger Versicherungsvertreter, zu:„Wir können selber aktiv werden und wir wollen, dass Quickborn für alle Bevölkerungsgruppen attraktiver wird!"
Uwe Schell, langjähriger Vorsitzender des Quickborner Planungsausschusses und früher auch beim Land Schleswig-Holstein beschäftigt, mahnte als Besucher der
Veranstaltung den Gutachter, nicht alle Prognosen anderer Institutionen „madig" zu machen. So habe sich der Kreis längst von den zitierten älteren Untersuchungen verabschiedet und diese den
Entwicklungen angepasst. Friederike Lattmann, Fachbereichsleiterin Stadtentwicklung in der Quickborner Verwaltung, wies darauf hin, dass fast Zweidrittel des unerwarteten Quickborner Wachstums
auf Baugenehmigungen nach § 34 zurückzuführen sei, auf die die Stadt gar keinen Einfluss habe. Kramer berichtete, dass dieser Paragraf, der grundsätzlich den Neubau von Häusern in bereits
bebauten Gebieten erlaubt, von den Landkreisen in Deutschland sehr unterschiedlich gehandhabt werde. Der Kreis Pinneberg sei sehr großzügig. Die Genehmigungsbehörden des Kreises sollten
eigentlich die Kommunen unterstützen. „Wer hat eigentlich die Planungshoheit in der Stadt?" fragte der Gutachter.
Auf die Frage von Bürgervorsteher Henning Meyn, der als Gast an der Veranstaltung teilnahm, ob auch die Entwicklung der Grundstückspreise in die Untersuchung eingeflossen sei, antworte Kramer, dies sei in gewissem Umfang geschehen. Die Mitarbeiterin des Fachbereichs Planung Sabine Bönning, die als Besucherin an der Veranstaltung teilnahm, erinnerte daran, dass das Gutachten ja nur zwei Handlungsalternativen aufzeige und dass es auch einen Weg zwischen den Extremen gebe.
Carl-Heinz Müller, der auf seine langjährige Tätigkeit in internationalen Konzernen verwies, vertrat die Meinung, dass der gewählte Planungszeitraum ohnehin viel zu lang sei. Auch könne man de Auswirkungen des geplanten S-Bahn-Anschlusses und des Flüchtlingsstrom jetzt noch gar nicht einschätzen. Im übrigen seien die Einkaufsmöglichkeiten in Quickborn eine Katastrophe. Der Ausschussvorsitzende Kluge hielt dagegen, dass Politik und Verwaltung ohne Planung nicht auskämen, er plädierte aber dafür, die Zahlen jedes Jahr zu überprüfen. Der Gutachter meinte, die Aussagekraft solcher Untersuchungen hänge auch davon ab, wie stringent die Kommunen die Vorgaben abarbeiteten. Es gebe dabei durchaus erfolgreiche Gemeinden. Man müsse sich aber darüber im klaren sein, dass Wachstum Geld koste. Unternehmer Schaffarzyk hielt dem entgegen, dass Neubürger aber auch mehr Steuern in die städtischen Kassen spülten. Nach Aussagen Kramers gebe es aber keine aussagefähigen Kosten-Nutzen-Rechnungen in diesem Bereich.
Ausschussmitglied Wolfgang Tröger (SPD) vermisste in dem Gutachten 10 klare Handlungsempfehlungen, die aber der Gutachter aber auch auf Nachfrage nicht geben wollte. Er zeige Handlungsoptionen auf, Entscheidungen treffen müsste die Politik. Tröger:„Dann werden wir es sehr gelassen in den Fraktionen diskutieren."
Kommentar schreiben